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Der verwunschene Wald

Eine Strasse in den Abgrund.

 

Gleich hinter dem Bella Vista Motel, wo ich logiere, fängt der Regenwald an. Kein Witz. Der Regenwald. Ich habe kurz den Reiseführer konsultiert und gegoogelt. Das ist wirklich ein waschechter Regenwald.

 

Ich habe heute Mittag den Rucksack gepackt und bin eingetaucht in diese mystische, verwunschene Welt. Mein Ziel war der Fox Glacier Lookout. Ein Spazier-/Wanderweg, der mich in rund 3 Stunden hin und zurück zu einem Aussichtspunkt gebrächt hätte. Von dort hätte ich einen Blick auf den Fox Gletscher erhaschen können. Warum die Formulierung im Konjunktiv? Dazu komme ich später.

 

Dieser Regenwald ist unwirklich. Rund 10 Grad kühler als ausserhalb. Mit riesigen, mit Moos bewachsenen Bäumen. Farne, die ihre Blätter über den Weg spannen. Lianen, die scheinbar vom Himmel fallen (Ich Jane. Wo Tarzan?). Regen, der stetig von den Bäumen tropft. Bienen, die summen und Vögel, die zwitschern. Ab und an hörte ich einen der unzähligen Ausflugshelikopter über meinen Kopf rattern. Ansonsten Stille.

 

Ich verstand plötzlich völlig, woher Peter Jackson seine Inspiration für die Lord of the Rings- und Hobbit-Filme nahm. Es fiel mir überhaupt nicht schwer, mir in dieser Natur wandelnde Bäume und Elfen vorzustellen. Ich war mir bei einigen der bäumigen Gebilde nicht sicher, ob sie sich hinter meinem Rücken nicht doch bewegt hatten.

 

Ich marschierte und staunte. Und staunte und marschierte. Und nach etwa eineinhalb Stunden ging's nicht mehr weiter. Ich stand plötzlich vor dem Abgrund (ausnahmsweise mal nicht im übertragenen Sinn, sondern tatsächlich). Da, wo die Strasse und der Wanderweg hätten weitergehen sollen, war … einfach nichts. Offenbar ist die Strasse bei einem Unwetter kollabiert und runter in den Fluss gestürzt, hat mehrere Bäume und den Wanderweg gleich mitgenommen.

 

Umkehren war angesagt. Egal, die wunderbare Atmosphäre im Regenwald war die Wanderung trotzdem wert. Es ist ja nicht so, dass ich auf dieser Reise nicht schon Gletscher gesehen hätte. Und im Sommer geht's ja mit den Mädels zum Aletschgletscher (Andrea: wo bleibt der Doodle). Ich habe auch lange hin und her studiert, ob ich einen dieser Rundflüge machen soll (kosten hier etwa einen Viertel von dem, was in der Schweiz verlangt wird). Wegen dem kommen die meisten Touristen, um von oben auf die Gletscher und Bergwelt hinunterzublicken. Aus verschiedenen Gründen habe ich mich dagegen entschieden.

 

Nachdem die Sonne untergegangen war, bin ich nochmal zurück auf den Minnehaha Walk direkt beim Waldeingang. Dort hat es Glühwürmchen in freier Wildbahn. Es war stockdunkel und natürlich hat genau heute die Batterie meiner Taschenlampe den Geist aufgegeben. Mein Handy war keine grosse Hilfe. So bin ich halt dem Lichtschein anderer Besucher gefolgt. Es hat hier nachts nämlich fast mehr Leute, als tagsüber. Alle wollen die Glowworms sehen.

 

In der Dunkelheit wäre ich beinahe über ein Opossum gestolpert. Zuerst dachte ich, es sei ein Waschbär, aber ich glaube, die gibt es hier gar nicht. Am Strassenrand liegende, zerquetschte Possums (warum hängen wir eigentlich im Deutschen noch ein O vor den Namen?) habe ich schon viele gesehen. Da sie hier als Plage gelten und die heimische Tierwelt bedrohen, kratzt das niemanden. Im Gegenteil. Die Tiere werden offiziell geschossen und ihr Fell zu Klamotten verarbeitet.

 

Wer will jetzt Nippelwärmer aus Possum Fell?


Anmerkung zu Manfred‘s Kommentar

Der Kandidat hat 100 Punkte. Belgien ist richtig. Und mein Tattoo ist ein Phoenix. Wie das Symbol des berühmten belgischen Abteibieres Grimbergen. Das hast du tatsächlich noch nie gesehen? Der Chef lässt übrigens ausrichten, du bräuchtest am Donnerstag gar nicht mehr antraben. Statt der Mitarbeiterbeurteilung habe er einen blauen Brief für dich.


Erkenntnisse des Tages

  • Ich liebe Jacob‘s Creek Moscato. Hicks!
  •  14 Tage Selbstisolation nach Heimkehr wären für mich null Problem. Denn ich kann es kaum erwarten, die Lord of the Rings- und Hobbit-Filme nochmals zu sehen.
  • Ich mag Moos. Es hat so eine beruhigende Wirkung auf mich.
Ist das der Eingang zur Feenwelt?
Ist das der Eingang zur Feenwelt?
Das wäre Ihre Strasse gewesen
Das wäre Ihre Strasse gewesen
Also wer hier kein erstarrter Riese sieht ...
Also wer hier kein erstarrter Riese sieht ...

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Kommentare: 5
  • #1

    Gotti Heidi (Dienstag, 10 März 2020 21:20)

    Das esch jo wie innere Märliwält sooo schön. Hets dört e keini Spinne?? :-(( So grossi dicki schwarzi grusigi????

  • #2

    Astrid (Dienstag, 10 März 2020 21:22)

    Nei, liebs Gotti. Das hets zum Glück nit. Überhaupt hets do wenig so Viecher. E ideals Reiseland. ;-)

  • #3

    Mami (Dienstag, 10 März 2020 22:00)

    Wow, das isch jo paradiesisch, fasch e chli unheimlich. Du machsch immer so chöni Bilder, me het fasch s' Gfühl me sig sälber dört. Hüt sin mir 28km mit em Huskyschlitte umeblochet. 6 bravi Hünd händ uns durch die Schneelanschaft zoge. 1 Person isch im Schlitte gsässe und die anderi het gfüehrt. Nach der Hälfti hets inere Hütte Lachssuppe und Kaffi mit Kaneelböller gä. Denn sin mir in umgekehrter Bsetzig zrugg gfahre. Macht würklich Spass. Liebi Griessli Mapi

  • #4

    Manfred (Mittwoch, 11 März 2020 01:43)

    Glühwürmchen........da erinnere ich mich gerne an einen meiner ersten Urlaube nach der „Flucht“ aus meinem Elternhaus. Meine damalige Begleitung und ich hatten für eine Woche ein Rustico im Tessin, genauer in Contra di Sotto (oder so) gemietet. Dieses war von einer weitläufigen Naturwiese umgeben. Mit Blick auf Locarno und den gleichnamigen See!
    Da war es! Zum ersten Mal sah ich sie! Die Glühwürmchen! Es war ein lauer Herbstabend im Jahre des Herrn 1992. Zig-tausende Glühwürmchen tanzten nur für uns einen wilden Discotanz,. Fast wie in Pulp Fiction mit John Travolta und Uma Thurman tanzten sie in wilder Ekstase! Ah, ja, ehhhh was wollte ich nun schon wieder, schreiben? Ähhh, natürlich, jeder der den Film gesehen hat weiss was ich meine.....
    Die Erinnerung ist geblieben. Glühwürmchen habe ich seither nur noch einmal, auch wieder im Tessin erblickt. Wiederum eine wunderschöne Erfahrung. Aber das ist eine andere Geschichte! Hihi!

    Einmal mehr wunderschöne Bilder! Beim drittletzten dürfte sich Peter Jackson sicher gewesen sein, dass der Ent nicht nur der Fantasie J.R.R. Tolkien‘s entsprungen, sondern echt ist! Der hat Dir ,liebe Astrid, bestimmt hinterher geschaut und dabei geblinzelt und mit den Ästen gezittert.
    Wenn Du dann die Filme schaust, dann lass es mich doch wissen, so dass wir - Krähe und ich - dich dann auch sicher nicht stören! Nicht das Du noch denkst, die Orks würden dich überfallen!

    Also dann, bis morgen, dein Leseschaf

  • #5

    ‚Krähe‘ (Mittwoch, 11 März 2020 07:23)

    Danke für die schönen Fotos! Ich kann ja zwischendurch auch ganz nett sein. Aber genug gesäuselt, den Eingang zur Feenwelt kannst DU nicht fotografieren....
    Die Geschichten von dir und Manfred über Glühwürmchen bringen mich sehr zum Nachdenken: manchmal wünschte ich mir, ich könnte während der Arbeit auch mal was leuchten oder besser eine Leuchte sehen....
    Und noch was zu deiner unqualifizierten Äusserung betreffend meinem liebsten Mitarbeiter Manfred: es käme nur noch schlimmer, wenn ich ihn loswerden wollte. Also erdulde ich seine literarischen Ausflüge ins Nirgendwo, was übrigens ‚hard stuff‘ ist, wenn Tatsachenberichte vorliegen sollten, und hoffe weiter auf den Anblick eines Glühwürmchens!!